Island of Lost Souls

Von  //  25. September 2011  //  Tagged: ,  //  Keine Kommentare

Ein Schiffbrüchiger (Richard Arlen) gerät auf die gottverlassene Insel des Dr. Moreau (Charles Laughton), der auf chirurgischem Weg Tiere zu Menschen umformt: Ein verflucht schmerzhafter Prozess, der die erschaffenen Mischwesen in ständiger Furcht vor ihrem Schöpfer hält, zu dessen „house of pain“ sie zwecks Nachbehandlung („the stubborn beast flesh creeping back“) periodisch zurückgeholt werden und der sich auch gleich als Heiland der verlorenen Seelen (© Alex Klotz) verehren lässt. „Are we not men?“ fragen die armen Kreaturen in einem quasi-religiösen Ritus, als wäre es ganz toll, ein Mensch zu sein, während Laughton erst Arlen schmachtende Blicke zuwirft, dann aber der Wissenschaft ihr Recht gibt und versucht, ihn mit seiner Leopardenfrau zu paaren…

H.G Wells soll diese Verfilmung seines „Island of Dr. Moreau“ gar nicht gemocht haben, die sein Hauptthema, Entwicklung und Verfall der Gesellschaftsstruktur der Halbwesen nach dem Tod ihres Schöpfers, nur am Rande streift und stattdessen in 70 Minuten alle Tabus in Reichweite bricht, beiläufig peinliche Fragen über Moral, Zivilisation, Religion und Sexualität aufwirft und – wenngleich es weder explizite Gore-Szenen noch Porno-Einlagen gibt – nichts an ungemütlicher Deutlichkeit zu wünschen übrig lässt. Die eisige amoralische Kälte des Dr. Moreau durchdringt das tropische Setting des Films, der seine „normale“ Romanze mit kaum verhohlener Verachtung abtut, ganz zufrieden damit ist, Arlen als Hampelmann durch den subversiven Plot stolpern zu lassen, und in seiner effizienten Pre-Code-Manier gut auf Musikuntermalung verzichten kann. Kameramann Karl Struss tut mit seinen harten Schattenwürfen, subjektiven In-your-face-Einstellungen und nonchalanten Kranaufnahmen sein übriges, den Betrachter zu verstören.

Mehr als FREAKS, der, wenn man sich erst an die „Schockwirkung“ der Darsteller gewöhnt hat, in seinem schlichten Gut-Böse-Dualismus beinahe kindlich wirkt, ist ISLAND OF LOST SOULS einer der wenigen Horrorfilme der Epoche, die auch heute noch mehr als nur formale und/oder nostalgische Reize bieten – dies übrigens im Gegensatz zu den beiden Remakes von 1977 (mit Burt Lancaster) und 1996 (mit Marlon Brando), die trotz größeren Aufwandes, fortgeschrittenerer technischer Möglichkeiten und laxerer Zensurbestimmungen hauptsächlich Gelegenheit zum Fremdschämen bieten. „What is the law?“ Not to shoot remakes!

Immerhin – nachdem der Film im Gegensatz zu den Remakes Jahrzehnte lang nahezu unverfügbar war, ist für Oktober 2011 tatsächlich eine DVD-Veröffentlichung angekündigt – und dann auch gleich bei Criterion. Halbe Sachen hätte der Film nach all den Dekaden der Verehrung durch Fans und des Ungeliebtseins in höheren Studioetagen auch nicht verdient.

USA 1932, Regie: Erle C. Kenton

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Über den Autor

Andreas Poletz (1185 bis 1231), aus Chorazin gebürtig, beschrieb seine Seele als »einen schrecklichen Sturm, umhüllt von ewiger Nacht«, und behauptete, dass er aus Verzweiflung begann, seine Hände und Arme zu zerfleischen und mit den Zähnen bis auf die Knochen zu zernagen (incipit manus et bracchia dilacerare et cum dentibus corrodere useque ad ossa). Ist aber nicht wahr.

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