The Night Comes Too Soon

Von  //  1. August 2012  //  Tagged: ,  //  1 Kommentar

Yes, it MIGHT have been this. Or was it? And if it WASN’T this — what WAS it?

Ein junges Pärchen im Nachkriegslondon findet nach langem Suchen endlich ein eigenes Haus, aber das ist nicht nur desolat, sondern auch von einem Nekromanten erbaut. Und es spukt darin.

Der Plot folgt weniger seiner vorgeblichen Vorlage, George-Edward Bulwer-Lyttons „The Haunter and the Haunted“ (1857), von dem er sich nur eine Idee und einen Namen borgt, als dem geradlinigen Muster klassischer ghost stories: Die Protagonisten geraten an einen Spuk, sie enträtseln seine Ursache, Ende. Dass der Film dennoch nicht dröge aussieht, sondern auf ungreifbare Weise beunruhigt, liegt nicht an formalen Feinheiten und auch nur zum Teil in seiner No Budget-Natur, die ihn 20 Jahre älter aussehen lässt, als er ist.
So vermute ich, dass die Darsteller nicht allesamt geschminkte Lippen hatten, sondern teilweise mit orthomatischem Filmmaterial gedreht wurde, das damals eigentlich schon 20 Jahre überholt war. Vielleicht – vieles an diesem Film kann man nur vermuten – war es die billigste Methode, an lichtempfindliches Material zu kommen, das man eben braucht, wenn man ohne Geld in einem echten desolaten Haus dreht. (An dessen Stelle steht heute eine Filiale der Zeugen Jehovas.) So erklären sich kostensparende Abkürzungen, so erklären sich unscharfe Einstellungen und einige wüste Schnitte; die schwer leidende 16 mm-Kopie fügt noch brutalere Bildsprünge hinzu. Auch die Konservenmusik klingt nach Vorkriegszeiten. Und dennoch…

For the first time in his life, John began to experience fear. A fear of the intangible. But fear it was. One thought struck him forcibly: Was he to conquer it, or it to conquer him? If fear of the unknown CAN be conquered…

Dass The Night Comes Too Soon nicht einfach die englische Variante eines Ed Wood-Films darstellt, liegt in seiner anrührenden Ernsthaftigkeit begründet. Wir brauchen keine Subtexte oder bravouröse Darstellungen, wir müssen keinen aufwändigeren Vorbildern nacheifern, eine Romanze einbauen, mit komischen Szenen auflockern, formale Innovationen bieten oder Spezialeffekt-Gewitter auffahren: Es reicht, die Geschichte zu erzählen. Der irische Regisseur Denis Kavanagh hat nichts als obskure B-Movies gedreht, aber zumindest hier beweist er, dass er sein Handwerk versteht: Der obsessive Minimalismus, mit dem sich der Film tropfenden Wasserhähnen und knarrenden Türen widmet, hat Methode, und ja, natürlich reden die Leute mitunter Unfug – immerhin spukt es um sie! Kavanaghs Griff ist sicher genug, dass wir selbst die rudimentären Methoden, durch die sich die Geister mitunter manifestieren, hinnehmen können. The Night Comes Too Soon  ist gewiss kein verschollener Klassiker, aber in seiner schlichten Weise ebenso bemerkenswert wie seine respektierteren und subtileren Zeitgenossen.

Der US-Fassung – scheinbar die einzig noch existierende – fehlen 8 Minuten von 57, und wie im seelenverwandten englischen No-Budget Fall of the House of Usher (1948) muss die Geschichte, damit sie überhaupt solange dauert, mit einer Rahmenhandlung gestreckt werden, was The Night Comes Too Soon zumindest hilft, langweilige Parts mittels Voice Over zu verkürzen. Dies erledigt der einzige bekannte Name des Films: Valentine Dyall, hierzulande allenfalls aus City of the Dead (1960) und The Haunting (1963) bekannt, in England vor allem ob seiner Radiorollen („The Man in Black“). Geholfen hat das wenig: Der Film verschwand schnell von der Bildfläche, wenn auch nicht so vollständig wie zwei andere britische B-Horrorfilme: Castle Sinister (1932, Wissenschaftler will Mädchengehirn in Affenmenschen transplantieren) und The Unholy Quest (1934, Kreuzfahrerleiche wird wiederbelebt). Seien wir dankbar, dass The Night Comes Too Soon noch existiert, um uns daran zu erinnern, dass es Filme zwischen Himmel und Erde gibt, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen lässt.

The Night Comes Too Soon/The Ghost of Rashmon Hall (US-Titel)  (Denis Kavanagh 1947)


Flattr this!

Über den Autor

Andreas Poletz (1185 bis 1231), aus Chorazin gebürtig, beschrieb seine Seele als »einen schrecklichen Sturm, umhüllt von ewiger Nacht«, und behauptete, dass er aus Verzweiflung begann, seine Hände und Arme zu zerfleischen und mit den Zähnen bis auf die Knochen zu zernagen (incipit manus et bracchia dilacerare et cum dentibus corrodere useque ad ossa). Ist aber nicht wahr.

Alle Artikel von

Ein Kommentar zu "The Night Comes Too Soon"

  1. Alex Klotz 2. August 2012 um 18:29 Uhr · Antworten

    Valentine Dyalls Stimme ist wirklich bemerkenswert – er spricht ja auch die erotische Mumie in Bizarre – Secrets of Sex.

Schreibe einen Kommentar

comm comm comm