Chained
Von Sebastian Selig // 11. September 2012 // Tagged: Fantasy Filmfest, Horror, Lynch // 1 Kommentar
Verkneift sich ein Film erst einmal das Dramatisieren, er ist sogleich kaum auszuhalten. Der kalte Blick der Kamera auf die mit ihrer Angst ringenden Mutter, zusammen mit ihrem kleinen Sohn eingesperrt auf der Rückbank eines Taxis. Dem Taxi eines bulligen, ins Nichts starrenden Fahrers. Und nichts ist da draußen, nur weite, schmucklose Felder. Eine in milchigem Licht kahl ausgeleuchtete Kreuzung. Nackte Gewalt. Und irgendwann dann dieses Haus. Die Garage. Ein kalter Kameraschwenk über Werkzeug, Zangen, Sägen, die mahnend an der weißgetünchten Wand hängen. Die Bitte der Mutter an den Jungen, er möge sich doch Augen und Ohren zuhalten. Dann qualvoll, verzweifelte Todesschreie, dann nur noch Qual.
Eingesperrt in diesem Haus, in diesen dämmrigen Fluren, in dem mit Holz ausgeschlagenen Keller. Oben, nachts, das mitleidlose Plärren des Fernsehers, das hier immer auch Belohnung ist.
Das auszuhalten, verdammt, die Hölle.
Irgendwann setzen sie dann aber doch noch ein, die Betäubung und das Erzählen. Der große, tapsig brutale, in all seiner Kraft schier unbezwingbare Killer bekommt eine Vergangenheit, ein Trauma. Ihn das nun auf einer kahlen Matratze laut vor sich hin murmelnd ausschwitzen zu sehen, hach… da bewahrt wohl einzig die große, feinripp-durchnässende Schauspielkunst von Vincent D’Onofrio den Film davor nun wieder gänzlich ins Wiederaufgefangenwerden zu kippen. So bleibt es spannend, in diesem leider erst vierten Film von Jennifer Chambers Lynch, die zuvor eine Frau im fiebrigen Grün des indischen Dschungels ihre Haut abstreifen ließ und eine andere, von ihren Armen und Beinen befreit, in eine Geschenkbox legte. In einem weiteren Film feierte sie tatsächlich auch schon einmal einsame, von kargen Feldern umrahmte Straßenkreuzungen.
Man sollte sie das häufiger tun lassen.
USA 2012, Regie: Jennifer Chambers Lynch
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Chained
Ein Kommentar zu "Chained"
D’Onofrio ist in der Tat hervorragend in diesem Film – er erinnert zwar, auch durch die ähnlich trist naturalistische Stimmung des Films, an Michael Rookers HENRY, seine Schwierigkeiten beim Sprechen und vollkommen autarke und isolierte Existenz machen aus seiner Figur aber eine beängstigende Bereicherung zum Serienmörder-Kanon.