Yuli

Von  //  29. Januar 2019  //   //  Keine Kommentare

Visueller Hall. Icíar Bollaín erzählt eine wahre Geschichte vom Gelingen.

Ihr Idol ist Michael Jackson. Sie kopieren seinen Stil, kombinieren ihn mit Capoeira, feilen an ihrer Performance und tragen Tanzwettbewerbe auf der Straße aus. Sie sind die ahnungslosen Erben eines afrikanischen Kriegererbes, das in der Sklaverei eine besondere Gestalt annahm. Die Verbergung einer Kampfkunst im Tanz. Der Sambaschritt dient ihnen als Energiespender. Sie tanzen gespannte Bögen. Sie sind gespannt.

Sie sind die Nachkommen verschleppter Yoruba, die bis zur Generation der Urgroßeltern auf Kuba zwanghaft Plantagen bewirtschafteten. Ihre Vorfahren kamen nach heutigem Staatsverständnis aus Nigeria und Benin und ersetzten die indigene Bevölkerung, die kollektiv an der Feldarbeit zugrunde gegangen war. Die Yoruba brachten einen afrikanischen Olymp mit – einen überfüllten Göttergipfel. Yuli, der beste Straßentänzer von Havanna, ist nach einem Kriegsgott benannt. Sein Vater, ein donnernd ehrgeiziger Lastwagenfahrer, reißt Yuli aus seiner Straßenkindheit und nötigt ihn zum Ballettunterricht an einer staatlichen Schule. Der Junge hasst die Formalität des Balletts. Der Pas-de-deux-Komment verhöhnt ihn. Doch steht seine Begabung außer Frage. Engagierte Tanzpädagoginnen führen Yuli zur Spitze seines Könnens.
Das erzählt Regisseurin Icíar Bollaín in Vor- und Rückblenden aus der Warte des zum choreografierenden Künstler Gereiften so, dass man begreift, wie sehr der Vater sich im Sohn verwirklicht – wie erniedrigt er sich fühlt im egalitären Kuba.
„Der schönste Tag meines Lebens war der Tag, als du geboren wurdest.“
Die Geschichte spielt in einem Rausch der Erfüllung und des Gelingens mit der Biografie von Carlos Acosta, der bis 2016 als Solist des Londoner Royal Opera House Covent Garden arbeitete. Edilson Manuel Olbera spielt das Ausnahmetalent in den Kindheitsszenen. Olbera ist grandios als heftiger Antagonist des visionären Vaters.
Ein paar historische Referenzen lösen die Revolutionsromantik in den karibischen Farben rund um Che Guevara aus. Yuli quält sich mit Heimweh und Wetterfühligkeit, während er im verregneten England seinem Weltruhm entgegentanzt. Nach einem Sturz entzieht sich der Rekonvaleszent dem Druck der europäischen Metropole und versucht in Havanna Hungrige davon abzuhalten, auf erbärmlichen Flößen nach Miami abzuhauen.
Carlos Acosta erzählt sein Leben als ein Stück über Gewalt & Liebe mit den Mitteln des Balletts und liefert so (in einer Verdopplung, die einen visuellen Hall erzeugt) einen koinzidierenden und konkurrierenden Komplementärtext zu Bollaíns mitreißenden Umsetzungen des Biografischen. Die von Olberas genialem Spiel beglaubigten Szenen wirken oft wie Dokumentaraufnahmen. Yuli und sein Vater bilden eine Verschwörung gegen die Erosion der Verhältnisse auf Kuba. Der Vater führt den Sohn zu der Plantage seiner ursprünglichsten Herkunft. Sie heißt so wie die Familie – Acosta. Den Sklavennamen mit Stolz aufzuladen, ist eine Mission, und Scheitern keine Option.

Yuli, Spielfilm/Spanien 2018 Regie: Icíar Bollaín. Mit Carlos Acosta, Santiago Alfonso, Edilson Manuel Olvera.

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