MANDY – Eine Annäherung
Von Guido Rohm // 7. November 2019 // Tagged: featured // 1 Kommentar
Nicolas Cage, diese Ausgeburt der Nichtschauspielkunst, dieser Verweigerungsartist, der durch die meisten seiner Filme wie ein Toter durch eine Aufbahrungshalle schlürft, dessen Körper oft wie ein breites Gähnen im Raum steht, der vom Kopf bis zu den Füßen wie ein sich schließendes Lid wirkt, explodiert in MANDY, er gerät außer sich, seine Gesichtszüge rasen durch diese Filmhölle, durch die Blutbahnen eines Dämons, der die Handlung zu albträumen scheint.
Farben, Sound, Schnitt, Schauspieler, Musik, Set, sie alle fließen in das eine Meer MANDY, münden dort, sie werden zum Gebräu, zum Sud, der, verführerisch wie eine halluzinogene Droge, dem Zuschauer in die Augen geträufelt wird; eine Droge, wie sie einer Gruppe Biker im Film verabreicht wird, die einer christlichen Endzeitsekte dabei helfen, Mandy zu entführen, die Freundin des Holzfällers Red Miller. Der zieht nach ihrem Feuertod mit Axt und Armbrust los, um Rache zu üben, nein, nicht zu üben, sondern um sie zu meistern.
Wenn am Ende die Augen von Nicolas Cage nach getaner Blutarbeit aus den Höhlen treten, wenn sie aus den Höhlen springen, als würden sie Luft holen wollen, sieht man ihnen an, dass sie das gesehen haben, was ungesehen bleiben sollte; und mit ihm sind auch wir dieser Hölle ansichtig geworden. Wenn dieser Film ein Rausch ist, so auch ein Blutrausch, ein sich in der Farbe Rot aalender toter Fisch, der vom Kopf in unseren Kopf stinkt, ein Geruch, den man nicht loswird, der noch Tage später an einem haftet, so dass es nicht wundern müsste, wenn man verwundert betrachtet wird, wie einer, der das Mahl des Teufels auf der Nasenspitze balanciert.
MANDY zermürbt und erschüttert, erschreckt und begeistert, zieht an und stößt ab; er ist wie eine Geliebte, von der man weiß, dass man nicht mit ihr leben will, die einen aber bis in die letzten Ecken des Hirns verfolgt. Hier wird der Film selbst zum Rausch.
Der Gegenspieler von Cage ist der Sektenführer Jeremiah Sand, der an Charles Manson erinnert, ein gescheiterter Musiker, ein Loser, der sich schließlich die Droge Religion verabreicht und so jenen Rausch erlebt, der ihm die Realität vorenthalten hat.
Sand flüstert, streichelt und umarmt mit seinen Worten, er zetert, er wirft Dreck, bittet, fleht; er bespielt die gesamte Klaviatur menschlicher Lügen, kein Satz, der nicht aus Machterhalt gesprochen, gezüngelt würde. Er ist die Schlange, die in einen Garten Eden einbricht.
MANDY ist ein Trip, ein Tauchgang ins Unterbewusste, in die Kloake der eigenen Seele, ins Fegefeuer des Selbst; kein Reiseziel, das in jedem Fall lohnend erscheint, aber auch kein Ziel, das man nicht im Blick haben sollte, jenem Blick, bei dem die Augäpfel panisch aus den Höhlen fliehen.
USA, Belgien 2018. Regie: Panos Cosmatos.
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