127 hours

Von  //  21. Februar 2011  //   //  1 Kommentar

Im WDR5 sagte der Filmkritiker, er könne mit einem aufgedrehten Typ, der sich bei seinem Freizeitausflug die Hand einquetscht, kein Mitleid haben. (Vielleicht dachte er dabei auch an den verunglückten Samuel aus „Wetten Dass“). Der selbstgewisse Grünschnabel sei jedenfalls selber schuld, wenn er keinem gesagt hat, wo er hin ist und jetzt allein klarkommen muss. Aber was, wenn unser Filmkritiker selber mal in eine Klemme kommt? Vielleicht jetzt nicht als Leichtfuß, sondern als selbstgerechter Griesgram und Jugend-Disser? Wäre es nicht traurig, wenn dann keiner mit ihm fühlt?

Wir sind ja alle irgendwann mal dran. Ok, ich war auch nicht von Anfang an eins mit dem Film. Manches war mir zu knallig; mich störten die vielen fetzigen, blankpolierten Stilmittel, die man mittlerweile zu gut aus der abkupfernden Werbung kennt. Und will man jetzt über jeden Hobby-Unfall einen Film machen? Aber bald steckte ich mehr und mehr drin in diesem Jungen. Es war das Drama einer Ameise, die in ein glattes Glas abgestürzt ist, einer Wespe, die in die Limo fiel, einer Fliege, die auf dem Leim zappelt – was kümmerte den großen Canyon das kreuzbanale Menschentierchen, das ihm in einen Ritz gefallen war? Hand eingeklemmt zwischen Felswand und Felsbrocken, 127 Stunden, bis er sich von seinem Unterarm, an dem die festhing, abschnitt – „Ich möchte mich gern von mir trennen“ mal buchstäblich. Ich fand das heldenhaft, und kann nur hoffen, dass ich auch auf die Idee gekommen wäre. Interessant auch das halluzinierte, wohlwollende „innere“ Kind, das dem Jungen interessiert, aber voller Gleichmut bei dieser Selbstamputation zusah. Die Hauptfigur (James Franco) war hübsch, witzig und authentisch. Da waren phantasievolle, gestalterische Einfälle, die seine Lage illustrierten und es nicht langweilig werden ließen, da waren Selbstironie und Galgenhumor, da waren Tiere, die ihm zusahen, Raben, Ameisen, und eine Viertelstunde lang die anbetungswürdige Sonne. Als er wieder draußen war und „Hilfe!“ rief, verstand man, wie tief es ihn rührte, dass seine Mitmenschen freundlich und hilfsbereit waren.

Es ist wie bei „Black Swan“. Du kommst den ganzen Film lang in das einigermaßen selbstgemachte Problem des anderen. Du kannst es interessant finden, in dessen fremde Adern gequetscht zu werden. Oder auch nicht. Dann bist du halt der große Canyon statt der kleine Furz.

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Über den Autor

Silvia Szymanski, geb. 1958 in Merkstein, war Sängerin/Songwriterin der Band "The Me-Janes" und veröffentlichte 1997 ihren Debutroman "Chemische Reinigung". Weitere Romane, Storys und Artikel folgten.

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Ein Kommentar zu "127 hours"

  1. Eckhard Heck 6. März 2011 um 13:31 Uhr · Antworten

    Au Backe, mein Gedächtnis. Musste erst bei its-just-a-film wieder auf „Into The Wild“ stossen. Aron Ralston ist auch mächtig gedizzed worden, dafür, dass er ohne Karte in der Wildnis unterwegs war. Macht ihm nix mehr aus. Ist tot geblieben. Gibt mir aber zu denken. Wegen der Gedächtnisschwäche, meine ich. Was, wenn er die Karte einfach vergessen hatte.

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