Mammut

Von  //  3. Februar 2011  //  Tagged:  //  2 Kommentare

Bei all der Prügel, die gleichermaßen vom Publikum und Feulliton auf Lukas Moodysson eingeprasselt ist, ist die Regelmäßigkeit seines filmischen Outputs bemerkenswert. Nach drei gefeierten Spielfilmen als Schwedens ultimative Regiehoffnung beobachtet, stieß die Hinwendung zum experimentellen Kino auf ein so stures Unverständnis, dass „Mammut“ weitaus vorsichtiger, wieder konventioneller und (nicht nur) auf den ersten Blick verständlicher ausgefallen ist. Genutzt hat es nichts, das Bashing scheint in Mode gekommen. Von den zynischen und überwiegend herablassend formulierten Kritiken sollte man sich nicht blenden lassen, denen oft als einziges Totschlagargument die Nähe zum seinerseits völlig überschätzten Betroffenheitsfilm „Babel“ ausreicht um großmäulig künstlerischen Bankrott zu erklären.

Doch zunächst zum Film selbst: Drei untereinander dicht vernetzte Handlungsstränge erzählen von der Wechselwirkungs-Logik einer globalisierten Welt anhand einer gut betuchtenFamilie aus Soho. Er (Gael García Bernal)  ist als ehemaliger Internet-Nerd mit einer eigenen Gaming-Community zu beträchtlichem Reichtum gekommen und in Thailand unterwegs, wo er sich statt seiner Geschäfte lieber typischen Backpacker-Aktivitäten widmet. Zuhause ist Ellen (Michelle Williams, „Dawson’s Creek“) als Ärztin so beschäftigt, das die eigene Tochter mehr von der phillippinischen Haushälterin Gloria (Marife Necesito) als von ihr selbst erzogen wird, die wiederum Geld nach Hause schickt, um ihren eigenen Kindern auf den Phillippinen ein besseres Leben zu ermöglichen.

Klingt aber jetzt alles viel verkrampfter und betont humanitärer als es in Wirklichkeit ist, denn Moodyssons Blick ist von kristalliner Schärfe. Bei aller kompositorischen Strenge ist „Mammut“ kein belehrender Thesenfilm für die „gute Sache“ geworden. Es stimmt, etwas neues wird uns kaum erzählt. Psychologisch reizvoll dagegen der Blick auf eine Generation neuer Global Player, die vor einigen Jahren als Computer-Freaks durch das Internet quasi über Nacht in das Big Business geworfen wurden und sich dort immer noch eher wie Kinder benehmen, die sich auf der harten Schulbank nach dem Spielplatz sehnen, dem man sie viel zu früh und jäh entrissen hat. Diesen Zwiespalt macht Gael García Bernal deutlich bis hin zur mimischen und körperlichen Regression, die sich erst auflöst, als er in Thailand kurzfristig „aussteigt“. Kurzum, im dürftigen Kinomonat Juni ist „Mammut“ das Highlight – ein weiterer Beweis dafür, das das negative Geschmacksurteil des affektierten Berlinale-Publikums (wie schon für „A Hole in my Heart“ und „Container“ wurde Moodysson erneut ausgepfiffen) mittlerweile fast schon als sicheres Indiz für hochklassige Filme gelten darf.

Schweden/Deutschland/Dänemark 2010 / Regie: Lukas Moodysson

zuerst erschienen in: Moviebeta 06/10

Flattr this!

Über den Autor

Alle Artikel von

2 Kommentare zu "Mammut"

  1. Eckhard Heck 5. Januar 2012 um 15:09 Uhr · Antworten

    Paul! :) Frohes neues Jahr. Schön, dass auch mal ältere Einträge goutiert werden.

    Ich werde mir jetzt auch endlich mal die Zeit nehmen deinen Blog eingehender zu lesen.

  2. Paul 5. Januar 2012 um 14:31 Uhr · Antworten

    Schön geschrieben!

    Hab den Film auch eben gesehen und fand ihn immer besser. Wenn man den Kritikerspiegel überfliegt, kann man sich auch seinen Teil denken (z.B. die Kritik an „konservativen Werten“ – sind diese Leute alle Gefühlszombies? :) )..

    Moodysson ist eh einer meiner Lieblingsfilmemacher…Mammut kommt zwar auch in meinen Augen nicht an ähnliche Werke wie „Babel“ (den ich schon für großartig halte, vor allem auch filmisch!) oder „Import Export“ heran, aber die Vielseitigkeit von Moodysson gefällt mir sehr. „Container“ konnte man ja auch noch nirgends sehen…den werd ich mir aber bald geben; werde ohnehin bald ein kleines/großes Projekt starten mit übersehenen Topfilmen der Jahre 2004-2006, das wird sicher spannend. :)

Schreibe einen Kommentar an Eckhard Heck

comm comm comm