Angela the Fireworks Woman – I anchored, then the dream began!

Von  //  30. Juni 2011  //  Tagged:  //  7 Kommentare

Leider kann ich im vorliegenden Fall nur auf eine zensierte – das heißt etwa um 10 Minuten gekürzte – amerikanische Fassung zurückgreifen. Alle, die den Film in der vollständiger Länge kennen, mögen mir das nachsehen. Christian Keßlers „Die läufige Leinwand“ entnehme ich, dass es sich bei den fehlenden Szenen um solche der expliziten Art handelt. Sicher wäre es gut, die mal zu sehen, aber erstens hat auch die gekürzte Fassung davon immer noch genug und zweitens hat der Film so viele andere Qualitäten, dass man sich ihn in jeder Version auf jeden Fall ansehen kann.

Wir hangeln uns zunächst an der Oberfläche entlang und beschreiben den Inhalt wie folgt: Die junge und noch gänzlich unerfahrene Angela (Jennifer Jordan, bei dieser Produktion unter ihrem Pseudonym Sarah Nicholson) ist beseelt von der Liebe zu ihrem eigenen Bruder Peter (Eric Edwards) und kann daran partout nichts falsches finden. Ihre unschuldigen Strandspiele lassen jedoch auch ihn nicht kalt. Und so lieben sie sich ein erstes und vorerst letztes mal, denn für Peter beginnt eine entbehrungsreiche Zeit als Priester-Anwärter.
Angela, im guten Glauben, dass ihre Gefühle nur natürlich und so gesehen auch nicht schlecht sein können, bedrängt ihren Bruder bis in den Beichtstuhl hinein. Der schickt sie daraufhin zu einem der betuchteren Schäfchen seiner Gemeinde (Erica Eaton als Elizabeth Walters), nicht ahnend, dass er damit den Bock zum Gärtner macht. Denn Angela kommt Frau Walters und ihrem Freund Rodger (Ellis Deigh) als wehrlose Gespielin gerade recht. Im Gegensatz zum eher romantischen Liebesspiel mit Peter, wird sie nun in die rüderen Praktiken eingeführt. Peter ist verzweifelt.

Auch Angela ist sich inzwischen nicht mehr sicher, ob das alles so gut ist. Sie unternimmt einen längern Segelturn, kann aber auch dadurch der Erinnerung an Peter nicht entfliehen. Alles endet nur wieder in einem weiteren sexuellen Abenteuer mit zwei lebenslustigen Skippern und so langsam verstehen wir auch Angelas eigentliches Problem: Alle wollen sie, nur Peter wehrt sich mit Händen und Füßen. Zurück an Land konsultiert sie den Arzt ihres Vertrauens, in der Hoffnung eine medizinische Erklärung für ihre scheinbar unwiderstehliche Attraktion auf andere zu erhalten. Der Doc kann aber nichts Ungewöhnliches finden und so ereilt Angela ihr Schicksal erneut in der nächsten Szene, in der sie von einem Fischer vergewaltigt wird. Der hat zuvor einen Nebenbuhler durch einen gezielten Schlag mit einem nicht gerade kleinen Fisch aus dem Rennen gekickt. Das war noch lustig. Verständlicherweise leicht traumatisiert, flüchtet sich Angela wieder in ihre Peter-Fantasien. Nachdem auch eine kalte Dusche nicht die erhoffte Wirkung zeigt, folgt eine ganz wunderbare – und für meine Begriffe sehr authentische – Selbstbefriedigungs-Szene. Mehr dazu in der Detailbetrachtung. Angela sucht Peter erneut im Beichtstuhl auf. Der ist mit den Nerven inzwischen völlig runter und geißelt sich am Abend mittels eines Ledergürtels selbst. Wir ahnen, dass er die Ausbildung wohl nicht zu Ende bringen wird.

Peter muss mit jemandem reden. Ob der Marlboro rauchende, ältere Priester der richtige dafür ist? Den gut gemeinten Rat, doch tunlichst alles Gott zu überlassen, wird Peter jedenfalls später in den Wind schlagen. Angela ihrerseits greift nun zu drastischen Methoden, um ihren Bruder aus der Umklammerung der Kirche zu befreien und organisiert eine Orgie, die uns einen der schönsten Fleischknäuel beschert (Dank an Simon Frauendorfer für diesen so treffenden Ausdruck), den man sich überhaupt vorstellen kann. Von einer besorgten Nachbarin informiert, eilt Peter zum Ort des sündigen Geschehens und endlich, endlich hat er ein Einsehen und trägt Angela auf Händen davon, um mit ihr in den Sonnenaufgang zu segeln.

Ich hoffe, dass in dieser vergleichsweise ausführlichen Inhaltsangabe bereits zum Ausdruck kommt, dass Angela the Fireworks Woman alles andere als ein lieblos zusammengeschusterter Plot zugrunde liegt. Die Hauptfigur wird nicht etwa nur durchgereicht, sondern entwickelt sich von einem anfänglich schüchternen, aber doch schon ziemlich zielstrebigen Mädchen, zu einer Hohepriesterin der Lust. Ihre wachsende Durchtriebenheit kulminiert in der angesprochenen Orgie, bei der sie sich rituell von den Anwesenden lecken und befummeln läßt und der lustvollen Zerfleischung (sprich Selbstopferung) nur durch das Eingreifen Peters entgeht. Den passenden Zeitpunkt hat sie genau geplant und alle zum gleichen Termin eingeladen, an dem Peter eigentlich mit der ganzen Gemeinde in der Kirche feiern wollte. Resultat: Angelas Party voll – Kirche leer.

Angetrieben wird die Handlung unter anderem durch Angelas inneren Monolog, der uns als Kommentar durch den Film begleitet. Einer der grandiosen formalen Einfälle von Craven. Und was ist das für eine Stimme! Jennifer Jordan klingt glaubhaft und einfach unwiderstehlich. Auch in den Dialogen ist sie stark. Die Szene, in der sie die Orgie vorbereitet und mit ihrer Freundin darüber spricht, ist ein gutes Beispiel, weil sie hier in einem einzigen Satz eine Hinwendung zum Diabolischen hinbekommt, die wirklich unter die Haut geht.

Filmisch eine der gelungensten Szenen ist die, in der sich Angela ausführlichst selbst befriedigt. Bereits die Einleitung dazu, in der sie im wahrsten Sinne des Wortes ein bisschen durchdreht, ist interessant gemacht. Der Versuch, die psychische Verletzung durch die Vergewaltigung filmisch darzustellen und trotzdem die gewagte Kurve zur puren Geilheit zu bekommen, ist gelungen. In einem vollkommen unmöblierten Raum gibt es sich Angela selbst. Die Kamera geht auffallend oft auf Distanz, fängt so die Spannung des ganzen Körpers ein und wird gerade dadurch ungewöhnlich persönlich. Unterlegt ist die Szene teilweise mit einem Song mit folkig-bluesigen Anklängen. Außergewöhnlich, wie der ganze Score des Films.

Neben dieser filmisch beindruckenden Sequenz gibt es noch etliche, teilweise symbolgeladene Einstellungen, die viel Freude machen. Peter etwa, der als J.C. an den Rahen eines Segelbootes hängt – selbstverständlich in dramatischem Gegenlicht. Aber auch viele der weniger spektakulären Szenen sind sehr liebevoll fotografiert. Stellenweise wähnt man sich in einem Barbara Hammer Film oder in einem Avantgarde-Film mit der typischen available Light Ästhetik, psychedelisch anmutenden Überblendungen und so weiter, ohne dass man den Eindruck hätte, dass hier nur nachgeäfft würde. Die Außenaufnahmen sind fast ausnahmslos sehr gut komponiert, die expliziten Aufnahmen präzise kadriert. Das gilt vor allem für das bereits mehrfach erwähnte Rudel-Bumsen (um mal einen Ausdruck aus der Entstehungszeit des Films zu verwenden, an den ich mich noch dunkel erinnern kann), bei dem hier und da sogar wunderbar räumlich gestaffelt wurde. Man müßte wirklich eine Einzelszenen-Analyse machen, um dem Film in dieser Hinsicht gerecht zu werden.

Übrigens gibt es tatsächlich auch Feuerwerke zu sehen. Und zwar einige, zumal sich das Ganze vor dem Hintergrund der Feierlichkeiten zum 4. Juli abspielt. Wir lernen einen leicht mystisch angelegten, Zylinder tragenden Feuerwerker kennen. Der nicht unsympathische Derwisch repräsentiert die dunkle Seite von Angelas Verlangen. Ein Verbündeter im Kampf gegen Kirche und Moral – und augenscheinlich selbst auf Seelenfang. Am Schluss gibt es eine Szene, in der sich der ältere Priester in den Zylinderträger verwandelt. Das Böse ist immer und überall! Tatsächlich verweist die Eingangssequenz des Films – ein wilder Feuertanz, der zunächst wie ein Prolog wirkt und an dem Angela und Peter beteiligt sind, bereits auf die finale Orgie und legt den Verdacht nahe, dass die beiden entgültig die Seiten gewechselt haben. Das könnte aber auch eine Überinterpretation sein. Ist auch möglich, dass Craven einfach etwas brauchte, um den Vorspann zu unterlegen und deshalb alle Beteiligten nackt durch die Rabatten getrieben hat.

Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, dass Wes Craven Angela the Fireworks Woman zwischen seinen beiden Horror-Klassikern The Last House on the Left (1972) und The Hills Have Eyes (1977) gedreht hat. Ein Kuriosum, zu dem der ein oder andere Wes Craven Kenner, zu denen ich mich nicht zähle, sicher erhellende Anmerkungen machen kann.

Frau Suk hat eine bemerkenswerte Replik zu dieser Besprechung geschrieben.

USA, 1975. Regie: Wes Craven (als Abe Snake)

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Über den Autor

Eckhard Heck besitzt eine der umfangreichsten Baustellen-Sammlungen Nordrhein-Westfalens. Unter anderem ist er Autor, Musiker, Maler, Fotograf und Glaubensberater.

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7 Kommentare zu "Angela the Fireworks Woman – I anchored, then the dream began!"

  1. Whoknows 1. Juli 2011 um 11:41 Uhr · Antworten

    Ups! Da siehst du, wie liederlich ich recherchiere, wenn es um Pornos geht :blush:. Das Gestöhne trieb mich erstmals im Greisenalter von 23 Jahren in die Kinos, und ich erhielt rasch den Eindruck, als sei der Titel das einzige, was regelmässig gewechselt werde — falls das als Ausrede akzeptiert wird…

    P.S.: Die vermutlich künstlich vergrösserten Dinger der männlichen Hauptdarsteller trieben mir selber den Angstschweiss auf die Stirn. Ob man da auch etwas mit Silikon anstellen kann?

    • Frau Suk 1. Juli 2011 um 11:44 Uhr ·

      Genau so dachte ich übrigens auch, als der Vorschlag – wie ich inzwischen zu wissen glaube von Frau Szy – kam, wir sollten doch mal Pornos rezensieren.

      Und ja, ich vermute, mit Silikon lässt sich was machen. Zumindest optisch, über die Funktionalität will ich mich da nicht äußern.

  2. Frau Suk 1. Juli 2011 um 11:34 Uhr · Antworten

    Ich muss mich nun mal ausführlich zu Angela zu Wort melden. Ich dachte, das sei zu lang für einen Kommentar (hat schon wieder Besprechungslänge, ich kann mich einfach nicht kurz fassen), aber Ecki meinte, ich solle das ruhig mal „reinkicken“. So, here we go…

    …here we went… Ich habe doch einen Artikel daraus gemacht. Wer den Kommentarinhalt vermisst, findet ihn in jetzt unter „Angela the Fireworks Woman – The Dream Goes On“ wieder.

    Kommentar bearbeitet von Frau Suk am 04.07.2011

    • Frau Suk 1. Juli 2011 um 11:41 Uhr ·

      Hmm, das sieht jetzt anders aus, als ich wollte. Stellt Euch bitte alle Filmtitel kursiv vor.

      By the by: Ich finde auch, dass wir als Heterae (ist das korrekt? Oder sind wir Heterogetten, -innen oder -ösen?) schon eine Menge gemischtes Zeug besprochen haben. Und unsere (so weit mir bekannt ist heterosexuellen) Jungs sind wirklich nicht zu schüchtern oder verklemmt für Schwulenpornos, im Gegenteil. Die schleppen das Zeug ja gerade an.

      Wir freuen uns aber natürlich sehr über viele gewitzte Kommentare von Schwulen und Lesben auch zu den Heteropornos! Wobei ein bisschen Homo ja ohnehin in den meisten Filmchen enthalten ist.

  3. Silvia Szymanski 1. Juli 2011 um 08:26 Uhr · Antworten

    Gnade, Whoknows! Denk an den Kollegen Siedelmann: „Boys in the sand“, „L.A. plays itself“ und seine Besprechungen von Bruce LaBruce Filmen auf filmbeisstmann, als es Hard Sensations noch nicht gab. Und FrauSuk und ich (Frauen) besprechen doch viel Hetero Golden Age Kram. Bedenke, wir sind noch Porno-Babys, wir fangen gerade erst an zu laufen. Über die von dir angesprochenen physischen Voraussetzungen meiner Kollegen verbiete und verbitte ich mir, zu spekulieren ;-)

  4. Whoknows 1. Juli 2011 um 07:46 Uhr · Antworten

    Ist euch schon mal was aufgefallen? Schwulenpornos werden grundsätzlich von Frauen besprochen, die Männer reissen den Rest an sich. – Was schliesen wir daraus? Männer, legt eure Hemmungen ab! So klein können eure Pimmel doch nun auch wieder nicht sein. ;)

  5. Rajko Bieber-Burchardt 30. Juni 2011 um 00:20 Uhr · Antworten

    Wunderschöner Film.

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