DVD: Super 8½

Von  //  16. September 2011  //  Tagged: , , ,  //  Keine Kommentare

As I’ve gotten older I got much into cocooning. I basically like to stay home, watch my videos and masturbate. It’s the ninetees.


Ein offener Film, einer der keine Geheimnisse vor uns haben will.

Viele Filmemacher finden es zu einem gewissen Zeitpunkt ihrer Karriere angemessen, selbige zu refkletieren. Einen Kommentar zum bisherigen Schaffen zu liefern, das eigene Standing zu hinterfragen. Bruce LaBruce verschwendet keine Zeit und schüttelt einen solchen Bekenntnisfilm nach einer Handvoll No-Budget-Shorts und seinem abenteuerlichen, dennoch stilprägenden No Skin off my Ass ganz locker und unverschämt aus dem Ärmel. In seinem zweiten Spielfilm schändet er Federico Fellinis legendären Achteinhalb, just zu einer Zeit, als der Monsignore des italienischen Kinos noch nicht ganz kalt war. Eine heiligere Kuh hätte es wohl kaum gegeben für die Cineastenwelt und der filmhistorisch gebildete Bruce ist sich darüber selbstverständlich im Klaren. Das es ihm offensichtlich egal ist und er Fellinis Klassiker subkulturell vereinnahmt, macht Super 8,5 zu einem ungewöhnlich selbstbewussten Ausnahmefilm.

Bruce (LaBruce himself) ist ein abgewrackter Pornodarsteller, der nicht mehr viel zu erwarten hat. Seine Karrierehöhepunkte liegen weit hinter ihm, sein Privatleben liegt in Schutt und Asche – gerade zu diesem Zeitpunkt tritt die Underground-Filmemacherin Googie (Stacy Friedrich) in sein Leben und will eine Dokumentation über ihn drehen. Bruce sieht die Gelegenheit, wieder Aufmerksamkeit zu erlangen, Googie dagegen ist nicht weiter interessiert an seiner Person. Während der Dreharbeiten entsteht ein zickiges Klima, gespeist von gegenseitiger Missachtung und Ausbeutung. Diese Doppelungen und Metaebenen diskutieren ganz nebenbei, im Plauderton, das Wesen der Hommage an sich und warnen dank sarkastischem Humor vor allzu überanstrengter Verstocktheit und vor falsch verstandenem Respekt vor den eigenen Helden und Ikonen.

Super 8,5 ist eine rotzige Bestandsaufnahme des queeren Zeitgeistes und als solche ein echtes Kind der Neunziger. In gewisser Weise auch ein Vorreiter für jene Ästhetik, die heute unter AltPorn (Alt = Alternative) bekannt ist: Tattoos, Piercings, Nietengürtel und andere Szene-Accessoires  zieren das Bild. Punks, Skinheads und andere Outcasts sind statt Katalogschönheiten und glattrasierten Muskelbergen Objekte der Begierde. Was sich in Interviews (man vergleiche zum Beispiel den ARTE-Beitrag Durch die Nacht mit Bruce LaBruce und Jörg Buttgereit) immer wieder bestätigt zeichnet sich im Film bereits überdeutlich ab: LaBruce ist ein Mann ohne hemmende Scham, völlig selbstverständlich macht er persönliche Obsessionen, intimen Fetisch und natürlich seinen eigenen Körper in (Hardcore-)Action zum Gespräch oder Handlungsgegenstand.

Ebenso transparent wie seine sexuellen Vorlieben macht LaBruce seine filmischen Einflüsse. Von Andy Warhol über John Waters, von Peter de Rome bis hin zu Richard Kern finden all die Punks und Delinquenten des modernen Kinos Erwähnung, die den Film-Kosmos des Kanadiers gespeist haben. Letzterer ist sogar in einer höchst bizarren Gastrolle zu sehen. Super 8,5 erinnert an ein altes Punk-Fanzine, verlottert und abgegriffen, durch seine unangepasste und störrische Art aber positiv im Gedächtnis geblieben und immer wieder gern hervorgekramt wenn es wieder etwas ursprünglicher sein soll. Insgesamt mag der Film viel zu lang sein, tatsächlich langweilt er mitunter, nervt ein wenig, verblüfft aber immer wieder durch die Fertigkeiten, die LaBruce trotz limitierter Möglichkeiten erkennen lässt.

CAN/D/USA 1994 / R: Bruce LaBruce

Die DVD zum Film erschien beim Berliner Label Wurstfilm.

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