Dead of Night

Von  //  12. April 2013  //  Tagged: , , ,  //  2 Kommentare

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Der Teufelskreis vollzieht sich als Klischee, welches im Laufe des Lebens regelmäßig wiederholt wird. Handlungen, die auf bestimmte Regungen zurückgehen, machen nur zu einem Anteil die volle psychische Entwicklung durch. Dieser Anteil ist der Realität zugewendet, steht der bewussten Persönlichkeit zur Verfügung und kann im besten aller Fälle den Kreis in eine Spirale ausbremsen. Jedoch sind die anderen Anteile von der Realität abgehalten, dürfen sich entweder nur in der Phantasie ausbreiten oder sind gänzlich im Unbewussten verblieben, so dass es dem Bewusstsein der Persönlichkeit unbekannt ist.

Die psychische Übertragung ist ein großer Stein im Fundament der Weird Tale.

Nicht Ich bin böse, das Haus ist böse. Nicht ich wollte meine Frau umbringen, der Spiegel wollte es. Das Problem an dieser Interpretation menschlichen Fehlverhaltens ist leider auch, dass die Psychoanalyse ein brillantes Containment Management System ist, dass den Menschen auf bestimmte Verhaltensmuster reduziert. Man braucht diese vereinfachten Sichtweisen, um Geschichten einen Sinn zu geben. Aber manchmal ist der Rahmen eines Systems so eng gezimmert, dass ein Fortkommen daraus überhaupt nicht möglich ist. Und manche Filme lassen einen mit der Frage alleine, ob es sich jetzt gerade um einen Traum oder die Realität handelt, um eine psychische oder doch physische Anomalie, um einen Teufelskreis oder doch um eine Zeitschleife. „Dead of Night“ gehört nach wie vor zu den furchterregendsten Filmen, die jemals gedreht wurden.

Der Architekt Walter Craig (Mervyn Johns) erreicht ein Landhaus, in dem eine Sit-In-Party stattfindet. Ihm überkommt das Gefühl, dass er diese Menschen alle kennt. Die anwesenden Gäste testen Walters „Wissen“ und unterhalten sich nebenbei mit skurrilen Anekdoten aus ihrem Leben.

Den Anfang macht der Rennfahrer Hugh Grainger (Anthony Baird). Nach einem schweren Unfall während eines Wettkampfes wacht Hugh in einem Krankenhaus auf. Er beginnt zu lesen. Bei einem Blick auf die Uhr bemerkt er, dass es bereits 4.15 Uhr ist. So geht er zu seinem Fenster, schaut hinaus und bemerkt eine Pferdekutsche, die einen Sarg transportiert. Der Kutscher (Miles Malleson) sieht hinauf und kommentiert Hughs verdutzten Blick mit „Just room for one inside, sir“. Hugh setzt sich hin und auf einmal ist es Nacht. Er fragt sich selbst „Am I going crackers?“. Am nächsten Tag wird er entlassen. Als der anfahrende Bus, der ihn nach Hause bringen soll, seine Türen öffnet, kommt ihm der Busfahrer äußerst bekannt vor. Er kann sich nicht mehr daran erinnern, dass es sich um den Kutscher handelt. Der Bus schließt seine Türen und baut an der nächsten Kreuzung einen tödlichen Verkehrsunfall. Tabula Rasa. Diesmal steigt Hugh in den Bus und setzt sich neben eine Brünette, die der Krankenschwester ähnlich sieht, die ihn während seines Klinikaufenthaltes pflegte. Nun kehrt man zurück zur Sit-In-Party. Es bleibt dem Zuschauer wie Hugh selbst unklar, ob überhaupt irgendetwas davon wirklich stattgefunden hat oder ob nicht alles, inklusive des Autounfalls ein Traum war.

Als nächstes ist die etwa 13-jährige Sally O’Hara (Sally Ann Howes) an der Reihe.  Während einer Weihnachtsfeier spielen die Kinder verstecken. Sally ärgert sich darüber, dass sie immer als erste gefunden wird. Sie und ihr „Jäger“ Jimmy Watson (Michael Allan) suchen nach besseren Verstecken und unterhalten sich währenddessen über die Geschichte des Hauses, die Geistererscheinungen und Mord beinhalten. An einem bestimmten Punkt werden sie getrennt. Sally trifft einen kleinen Jungen, der weinend in einem Zimmer sitzt. Er erzählt ihr: „She said she´d like to kill me.“ Sally nimmt den Jungen und geht zur Party zurück. Die anderen Kinder lachen Sally aus, denn der Junge existiert gar nicht.

Anschließen tut sich Joan Cortland (Googie Withers) mit einer Geschichte über ihren Mann Peter (Ralph Michael). Als beide in ihre erste gemeinsame Wohnung ziehen, kauft sie ihm einen Spiegel: „I thought you´d like to look at yourself“. Doch als Peter sich im Spiegel betrachtet, bemerkt sie sein Unbehagen. Jedes Mal wenn er in den Spiegel blickt, sieht er sich selbst in einem Raum stehen, der nicht zu der Wohnung gehört. Es kommt noch schlimmer. Jedes Mal, wenn Joan und er sich gemeinsam im Spiegel betrachten, sieht er nur sich selbst in eben diesem Zimmer. Peter ist besessen von dem Spiegel: „I feel that room is trying to claim me. I know there´s something waiting for me on the other side.“ Joan erkundigt sich im Geschäft nach der Geschichte des Spiegels und es stellt sich heraus, dass der frühere Besitzer seine Frau ermordete. Joan kehrt entsetzt nach Hause zurück und nachdem Peter wieder in den Spiegel starrt, beschließt er sie zu erwürgen. Doch Joan kann sich seinem Griff entreißen und zerstört den Spiegel. Seitdem ist wieder alles normal.

Nun ist der Golfspieler George Parratt (Basil Radford) an der Reihe. Er und sein Sportsfreund Larry Potter (Naunton Wayne) begehren dieselbe Frau –  Mary Lee (Peggy Bryan). Während eines Spiels schummelt George und zwingt Larry so dazu in einen Sumpf zu gehen, wo er versinkt.  Mary und George beschließen einige Zeit später zu heiraten. Ab diesem Moment taucht Larry auf und behindert ihn als Geist beim Golfspiel. Nach einer Zeit ist George so fertig mit den Nerven, dass er anfängt zu trinken. Als er gerade in einer Bar sitzt, materialisiert sich neben ihm der tote Larry und verschwindet seitdem nicht mehr. Sie einigen sich darauf, dass Larry immer 6 Fuß hinter George läuft, denn die Hochzeitsnacht von Mary und George steht bevor.

Am Ende erzählt der Psychiater Dr. van Straaten (Frederick Valk)von seinem merkwürdigsten Erlebnis. Es gab einmal  den gefeierten Puppenspieler Maxwell Frere (Michael Redgrave), der regelmäßig mit seiner Handpuppe Hugo auftrat. Unter dem Publikum befand sich Maxwells Konkurrent Silvester (Hartley Power). Dieser war von Maxwells Fähigkeiten dermaßen beeindruckt, dass er ihn nach seinem Auftritt in seiner Kabine besuchen geht. Hugo, die Handpuppe von Maxwell, sitzt alleine im Zimmer und fängt an mit Silvester zu reden. Silvester begreift das Ganze als einen Scherz und lässt sich auf die Unterhaltung ein. Plötzlich öffnet sich die Tür des Bades und Maxwell tritt ins Zimmer. Scheinbar kann er sich nicht daran erinnern mit Silvester durch Hugo gesprochen zu haben. Schlechtgelaunt schmeißt er Silvester raus. Einige Wochen später bringt Silvester Maxwell nach einer Kneipenschlägerei in sein Hotelzimmer und setzt Hugo ans Bettende. Maxwell erwacht mitten in der Nacht und Hugo ist verschwunden. So rennt er wutentbrannt in Silvesters Zimmer und findet dort die Puppe. Silvester beteuert mehrmals, dass er sie nicht gestohlen hat, aber es hilft ihm nicht viel – Maxwell schießt ihn nieder. Im Gefängnis beschäftigt sich Dr. van Straaten mit seinem Fall und bringt Hugo zu Maxwell, da er sich davon einen therapeutischen Erfolg verspricht. Allerdings geraten Maxwell und seine Handpuppe Hugo in einen Streit, bei dem Maxwell  seine Handpuppe zerschlägt. Nur ist damit nicht Hugo verschwunden, sondern Maxwell. Der ist fortan bewegungsunfähig und redet nur noch mit verstellter Stimme.

Man kehrt zurück zur Sit-In-Party. Walter Craig möchte mit Dr. van Straaten unter vier Augen sprechen. Die anderen Gäste verlassen das Zimmer. Walter tritt hinter Dr. van Straaten und erwürgt ihn mit seinem Schal. Daraufhin bricht das Zimmer zusammen und Walter findet sich Schnitt für Schnitt in den Episoden der anderen Gäste wieder.

Es wird schwarz.  Mrs. Craig (Renée Gadd) tritt in das Schlafzimmer und weckt ihren Mann Walter auf. Der hatte wohl einen furchtbaren Alptraum. Seine Frau fragt ihn, was er heute unternimmt. Walter hatte gestern einen Anruf bekommen, dass er heute in ein Landhaus fahren muss. Als er das Landhaus erreicht, überkommt ihm das Gefühl, dass er hier schon einmal war.

Mit „Dead of Night“ versuchten die Regisseure Hamer und Cavalcanti den Schock des zweiten Weltkrieges zu verarbeiten. Ihr zweiter Weltkrieg war ein etwas anderer als der unsere. Unser zweiter Weltkrieg ist die Geschichte von Gut gegen Böse, Recht gegen Unrecht, Verführung gegen Skepsis, Tyrannei gegen Freiheit. Ihr zweiter Weltkrieg war ein chaotisches Ereignis, dem Millionen von Menschen, obwohl sie es nicht wollten, ausgesetzt waren und sich als Akteure in der ein oder anderen Art und Weise beteiligten. Ihre Conclusio bestand darin, dass die Geschichte als solche völlig unbrauchbar ist, um aus Fehlern zu lernen. Für sie gab es keinen Beginn, Mitte, Schluss. Es gab Kreise und Loops, die an gewissen Punkten andere Kreise und Loops eröffneten um schließlich in sich zusammen zu fallen, nur um wieder von neuem zu beginnen. Geschichte simplifiziert und zwingt Ereignisse in ein lineares Korsett, so dass spätere Generationen mit ruhigem Gewissen und der „Erkenntnis“ einschlafen können, dass man sich nicht so dumm verhalte wie die Generation der Väter/Großväter. Robert Hamers Desillusionierung und Zynismus führte am Ende zu dem Ausspruch: „I want to make films about people in dark rooms doing beastly things to each other.“ Sein Boss Michael Balcon konnte mit seinen Ideen nicht viel anfangen und so fand Hamer keine Auftraggeber mehr für seine Ideen. Danach wurde er zum Alkoholiker. 1960 bekam er noch einmal die Chance einen Film mit Namen „School for Scoundrels“ zu drehen, doch er brach am Set zusammen. Alberto Cavalcanti, Sohn eines Mathematikers, war im Paris der 1920er ein begeisterter Zuschauer von Avantgarde-Filmen. In den 1930ern ging er nach Großbritannien und engangierte sich im Dokumentarfilmbereich. 1942 drehte er dann einen bizarren Kriegsfilm mit dem Namen „Went the Day Well?“. Es beginnt wie ein typischer Propagandafilm, der die Gefahren der Nazis transportieren soll, doch in der Mitte des Filmes kommt es auf einmal zum Twist, denn die Bewohner eines von Wehrmachtsschergen besetzten Dorfes kämpfen gegen ihre Unterdrücker und legen dabei eine wesentlich größere Brutalität an den Tag als die Nazis selbst. Vom Bild des noblen Widerstandskämpfers, der sich anständig gegen seine Unterdrücker wehrt, bleibt nichts übrig und so scheiterte der Film. Er kommentierte seinen Streifen später mit: „People of the kindest character, such as the people in that small English village, as soon as war touches them, become absolute monsters.“ Cavalcantis und Hamers allegorische Warnung(en) vor einer simplifizierten Weltwahrnehmung ging(en) unter. Nach dem Weltkrieg traten Kybernetik und Game Theory ihren Siegeszug an. Nun waren alle entweder wesensgleiche Individuen, die das gewaltige Feedback-System Erde am Laufen halten oder komplett vereinzelte Individuen, die auf der Jagd nach maximalem Erfolg die Welt in ein freiheitliches Paradies transformierten. Mittlerweile dürfte es nicht wenigen dämmern, das weder das eine noch das andere zutrifft. Den starken Staat wollen wir aber aus sehr guten Gründen auch nicht mehr haben.

Während die einzelnen Episoden von „Dead of Night“ der Struktur des klassischen Horrorfilms entstammen, ist das Gesamt-Narrativ einmalig. Es ist am Ende unmöglich zu sagen, ob man jetzt einem Traum oder einer komplizierten Zeitschleife beiwohnt. Wenn man sich für den Traum entscheidet, ist es ebenfalls unmöglich zu sagen, wer denn jetzt genau träumt. Wer ist eigentlich die real existierende Figur in diesem Kaninchenbau?  Walter Craig ? Das ist naheliegend, aber ist es nicht folgerichtiger, dass die einzige real existierende Person der Zuschauer selbst ist. Der verfolgt einem Mann beim Träumen einer Party wo Personen nicht nur Anekdoten erzählen, sondern wiederum selber träumen. Am Ende löst sich die (vermeintliche) Traumebene auf, nur um wieder von vorne zu beginnen. Doch Walter fehlen zu viele Details aus seinem Traum um sich die Frage zu stellen, ob er nicht selbst geträumt wird.

Wenn man sich für die Zeitschleife entscheidet, bleibt der Zuschauer mit dem tristen Allgemeinplatz alleine, dass es kein Entkommen aus der Geschichte gibt. Dann doch lieber träumen.

 

Großbritannien 1945, Regie: Robert Hamer, Alberto Cavalcanti, Charles Crichton, Basil Dearden

 


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2 Kommentare zu "Dead of Night"

  1. Joris J. 13. April 2013 um 22:57 Uhr · Antworten

    Hi Manfred,
    ich habe mich auf Hamer und Cavalcanti konzentriert, weil ich der Meinung bin, dass sie „Dead of Night“ eine Seele gaben. Crichton und Dearden habe ich am Ende noch ergänzt.
    Gruß.

  2. Manfred Polak 13. April 2013 um 21:16 Uhr · Antworten

    Wieso ist denn nur von Hamer und Cavalcanti die Rede? Charles Crichton und Basil Dearden haben doch auch inszeniert.

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