Misericordia: The Last Mystery of Kristo Vampiro

Von  //  23. Februar 2014  //  Tagged: ,  //  1 Kommentar

Das von den spanischen Kolonialherren auf die Philippinen gebrachte Christentum hat dort eine ungewöhnliche Eigendynamik entwickelt und führte zu einer großen Anzahl von Flagellanten, die sich manchmal so heftig selbst züchtigen oder züchtigen lassen, daß sie ohnmächtig ins Krankenhaus geliefert werden müssen. Der Film verfolgt in erster Linie eine solche Prozession inklusive Kreuzigung, zeigt aber auch Hahnenkämpfe, bei denen mancher Arbeiter seinen ganzen Wochenlohn verspielt. Und es gibt auch Boxkämpfe zwischen Kleinwüchsigen, sowie Familien, die auf dem Friedhof wohnen, deren Kinder ausgelassen auf den Gräbern spielen…

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Nach dem hyperventilierendem, gewaltigem Arschtritt MONDOMANILA geht Khavn hier einen noch experimentelleren Weg, an sich verbindet der Film nur mehr oder weniger dokumentarische Aufnahmen während eines viertägigem Trips, den der Regisseur für einen italienischen Freund arrangiert hatte. Als Überbau wurden die Monologe eines Vampirs namens Christus hinzugefügt, der seine Blutsaugerei damit relativiert, daß die Opfer tot eh besser dran wären, denn jetzt müssen sie nicht mehr jede Nacht besoffen nach Hause kommen, um ihre Frauen und Kinder zu schlagen. Einige der spontan entstandenen Bilder, die nachträglich noch rot eingefärbt wurden, sind von erstaunlicher Schönheit, doch im letzten Drittel wird der Film aufgrund zahlreicher Wiederholungen schon etwas redundant. Aber das passt zur Arbeitsweise Khavns: Er kotzt die Bilder spontan aus, ohne vorher großartig über sie nachzudenken, was ihn auch erst zum Hoffnungsträger des wahrlich wilden Weltkinos fernab aller Arthouse-Befindlichkeiten werden liess.

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Bei der Premiere im Filmhauskino Köln begleitet der Regisseur den Film auf dem E-Piano, das er ab und zu auf Orgel-Modus umschaltet und zeigt sich auch hier als Virtuose – und das auch noch im Dunkeln. Das übliche Q&A nach dem Film gibt es nicht, stattdessen steht Khavn nach dem Film im Foyer jedem, der ihn ansprechen mag, zur Verfügung – mit kurzem Iro, Sonnenbrille, weißem Anzug und weißen Creepers im Äußerlichen genau so eigenwillig wie seine Filme. Und ein humorvoller, unkomplizierter und sehr netter Kerl, der trotz seiner Erfolge auf zahlreichen renommierten Festivals die Bodenhaftung keinesfalls verloren hat. Als nächster Film steht mit RUINED HEART eine Langfassung seines Kurzfilms PUSONG WAZAK an, mit Tadanobo Asano in der Hauptrolle und Christopher Doyle hinter der Kamera. Das dürfte dann auch wieder etwas ganz besonderes werden.

Philippinen/Deutschland 2013, Regie: Khavn De La Cruz


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Über den Autor

Alex Klotz ist ein Zelluloid atmendes Wesen und betreibt den Blog hypnosemaschinen. Alex Klotz hat nie als Tellerwäscher, Aushilfsfahrer oder Kartenabreisser gearbeitet und gedenkt das auch in Zukunft nicht zu tun.

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